Reflexion über Autorität und Macht

- warum fällt es uns so schwer Hierarchie anzuerkennen?

 

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In meinem Einführungsartikel  "Aus der Dualität in die Einheit durch Selbstreflexion“ bin ich genauer darauf eingegangen: ohne Dualität kein Wachstum. Es war eine kleine Versöhnung: "Ja, ich kann hinnehmen, dass ich ENT-zweit bin, da ich so, und nur so, auf dem Weg zur Einheit bin. Ich werde mich jetzt bewusst dafür ENT -scheiden, was mich zur Einheit hinbringt.“ Es hilft zu akzeptieren, die von der Einheit trennende Individualität zu ehren, und mit viel Spaß zu feiern, was uns alle eint.

 

Das wirft die Frage auf, wo bleibt da in der Gruppe eigentlich der Einzelne?

 

Im Leben haben wir gelernt auch mal zu dienen. Bestimmt ist da jeder schon an seine Grenzen gestoßen, und hier möchte ich einige Ideen zur Selbstreflexion geben, damit wir diese Grenzen überwinden können.

 

Wem dienen wir eigentlich wenn wir das mal so aus ganzem Herzen tun, zum Beispiel eine Mutter ihrem Kind? Meine Antwort wäre: dem Leben. Und Deine?

 

Zum Dienst gilt es auch, Begriffe wie Autorität, Hierarchie und Macht für sich selbst neu zu definieren und ins rechte Licht zu rücken. Und da wird es spannend. Wer hat jetzt gerade einen inneren Ruck verspürt, beim lesen dieser drei Worte?

Dabei kommen wir zu einer besonderen Art der Selbstreflexion: eine sehr unbequeme, nämlich das Suchen und Aufdecken von Verletzungen, um sie zu erkennen und damit zu integrieren. Hier die Erinnerung, dass Integrieren hilft, in der Dualität beide Seiten zu erkennen und so "ganz“ zu werden, heil, holy. Das Aufdecken von Verletzungen bedeutet auch sich selbst Empathie zu geben. (Lies dazu hier im Blog über Empathie)

 

Wir sind alle verletzte Tierchen, die in der Vergangenheit mal in einer Ecke ihre Wunden gesund lecken mussten. Diese Wunden können vielleicht verheilt sein, aber andere haben richtig große Narben hinterlassen, oder vielleicht sogar ein herausgerissenes Gefühl das so groß ist, dass es unüberwindbar erscheint, oder noch schlimmer, ausgeblendet wurde und nun im  Unterbewusstsein sein Unwesen treibt. Für solche Schrecken brauchen wir Hilfe, denn solch einen Schatten an die Oberfläche zu bringen kann traumatisch sein. All das führt zum Verlust unserer Macht. Warum klingt das nicht gut? Hätte ich doch Verlust von "power“ gesagt, klänge es vielleicht ungefährlicher.

 

Und da sind wir schon mittendrin in der Interpretation von Macht. Durch unsere deutschsprachige Vergangenheit und gemeinsame Geschichte klingt Macht als etwas, das nicht sein darf. Durch die alteuropäische "viktorianische“ Erziehung klingt Autorität als etwas, das kontrolliert, einschränkt und Macht missbraucht um zu unterwerfen und machtlose BeDIENSTete zu haben, die in der Hierarchie ganz unten stehen.

Es sind alles Ausdrücke die mit Gewalt und Angst behaftet sind, und in unserer heutigen, so viel freieren Gesellschaft trotz allem noch immer mit einem Impuls verbunden sind, sich dagegen wehren zu müssen. Da frägt man sich natürlich: hat Autorität, Macht und Hierarchie überhaupt etwas Gutes? Ja. Bitte lest trotzdem weiter.

Zu dem Begriff Macht möchte ich auf die Definition von Starhawk zurückgreifen ("The Spiral Dance“ und "Wilde Kräfte“). Sie beschreibt wie wir durch Selbstreflexion und persönlichem Wachstum die Verantwortung über uns selbst übernehmen, und so in unsere persönliche, innere Macht kommen ("power-in“). Sobald das Unterbewusstsein diese neue Definition übernommen hat, und die Seele die Macht-von-innen erkennt, braucht man nicht mehr gegen Macht anzukämpfen, denn sie ist ja in uns selbst.

Ja ganz im Gegenteil: Sicherheit, Größe und Güte macht sich in uns breit, und wir wünschen uns, mit anderen Wesen zusammenzukommen, die das auch entdeckt haben, um mit ihnen Macht zu teilen. Starhawk beschreibt dies als "geteilte Macht“ ("power-shared“).

Geteilte Macht erzeugt große Inspiration, Kreation und eine starke, jedoch freie Bindung. Damit ist die alte Definition von Macht, die mit Missbrauch zu tun hat, zu "Macht-über“ ("power-over“) geworden.

Es gilt jedoch in jedem Moment unserer Entwicklung erneut zu durchleuchten: In welchem Begriff von Macht befinde ich mich eigentlich gerade? Denn "Macht-über“ ist äußerst verlockend und bei fehlender Achtsamkeit kann sich die neu gewonnene innere Macht ganz leicht in "Macht-über" entwickeln.

 

Daran scheiterte schon Sahuman, der mächtige dunkle Herrscher aus dem "Herr der Ringe“ von Tolkien, während Gandalf der Weise beim Erreichen der kompletten inneren Macht der Versuchung widerstand. Er blieb immer einem treu: Dem Dienst an allem Leben. Und das ist die Brücke zum nächsten Begriff: Hierarchie.

Vielleicht fragt Ihr Euch jetzt entrüstet: Hierarchie als Dienst an allem Leben? Ja! Bitte lest trotzdem immer noch weiter! Ich hoffe ihr kennt den Herrn der Ringe denn ich nehme mal das Beispiel weiter. Gandalf war der weise Anführer, dem alle vertrauten, und der mit Sicherheit die Freunde durch alle Gefahren leitete, ja dabei sogar sein Leben aufs Spiel setzte um die zu retten, die ihrer Bestimmung folgen sollten um den Ring der Macht(-über) zu vernichten. Er führte, ohne offiziell gewählt zu sein, sondern weil seine Autorität auf der Ebene seiner Fähigkeiten anerkannt worden war.

 

Nun hier zur Selbstreflektion. Wenn du ein Buch der Schatten besitzt, kannst du dort weiterschreiben, sonst beantworte für dich:

Welche Autoritäten in meinem Leben will ich nicht anerkennen, und warum? Wen erkenne ich als Führer an, und warum?

 

Ich selbst bin Flugbegleiterin, und meistens mit meinem Captain auf Du. Ich erkenne ihn oder sie als meine Führungskraft an, denn Captain kann was, was ich nicht kann: eine Boeing 747 sicher starten und landen! Doch ich weiß auch, dass Captain nicht sieht was ich sehe, nämlich weder die Flugzeugtür für die ich verantwortlich bin, noch meine Passagiere. Und dafür übernehme ich mit etwas die Verantwortung, was Captain nicht kann. Um eine schwierige Situation zu lösen und eventuell Leben zu retten, bringe ich ihm/ihr alle Information dar und warte voller Vertrauen bis die Entscheidung kommt, und wie wir weiterhin vorgehen sollen. Dabei bin ich als eine gute Wassermannfrau alles andere als untertänig und hinterfrage gerne. Doch da ich in meiner eigenen Macht-von-innen stehe, kann ich sie mit jemand anderem teilen, wenn ich das für richtig befinde.

 

Mit diesen Beispielen von Hierarchie wird klar, dass auch dieser Begriff neu definiert werden muss. Es gibt steile Hierarchien und flache Hierarchien. Doch die Guten, das sind die runden Hierarchien. In einer runden Hierarchie gibt es notwendige Rollen, in denen sich die Gruppenzugehörigen wiederfinden können. Da sie in ihrer Macht-von-innen stehen haben sie ihre Gabe in den notwendigen Rollen erkannt und übernehmen sie verantwortungsvoll um die Reise GEMEINSAM sicher ans Ziel zu bringen. Alle stehen im Dienste des Lebens. Die notwendigen Rollen sind zum Beispiel die, die begleiten, die unterstützen, die vorbereiten, die wiederherstellen und reinigen, die beschützen, die vorhersehen, die Erfahrenen und die, die wissen. Und ja, auch die, die gut anführen können. Wenn nicht jede/r seinen Platz kennt und in seiner Macht steht, ist die Gefahr groß, dass dieser Flug nicht sicher landen kann, oder vielleicht gar nicht erst zum Start kommt.

 

Dieses Beispiel kann man auch auf eine Gruppe von Steinzeitmenschen übertragen, die überleben wollen. Fehlt in einer Gruppe nur EINE Gabe, die niemand verkörpern kann, dann ist diese Sippe zum aussterben verurteilt. Das Leben kann nicht weitergehen.

 

Weniger einfach zu sehen ist es, diese Beispiele auf Gemeinschaften von heute zu übertragen, aber es lohnt sich, eine Selbstreflexion über jede einzelne Gemeinschaft zu der wir uns zugehörig fühlen zu machen. Probier´ es mal, nur für Dich. Zum Beispiel schriftlich in Deinem Buch der Schatten.

Schreibe für dich auf:

Welches sind meine Gemeinschaften? Da kann zum Beispiel stehen: Familie. Hausgemeinschaft. Kollegen. Spirituelle Gemeinschaft. Staat.

Stelle Dir die Fragen: Welche Fähigkeiten sind in meiner Gemeinschaft notwendig um sie weiterzubringen und ihrem ÜberLEBEN zu dienen?

Welche Fähigkeiten bringe ich meiner Natur wegen mit, oder welche habe ich an mir verneint/bejaht, oder welche setze ich ein/könnte ich einsetzen?

Übernehme ich diese Verantwortung?

Stehe ich in meiner Macht und wenn nein, warum nicht?

Welche Art von Macht verwende ich?

Kann ich vertrauensvoll Macht teilen? Wenn nicht, warum?

Kann ich die Autorität der Fähigkeiten anderer anerkennen und mich dafür bedanken, dass sie sie zum gemeinschaftlichen Nutzen einsetzen?

Wo gibt es in meinem Leben noch Macht-über? Was kann ich tun um daraus auszusteigen? Wo sehe ich mich als Opfer, das ich eigentlich gar nicht bin?

Wo mache ich vage Vermutungen, die ich eigentlich gar nicht bestätigen kann, und was weiß ich sicher von meiner Gemeinschaft?

Trage ich überhaupt etwas zu meiner Gemeinschaft bei oder lehne ich sie eigentlich ab? Welche Konsequenzen sollte ich daraus ziehen für mich selbst?

 

Ich hoffe ich habe mich nicht allzu sehr aufs Glatteis begeben, denn meine Absicht ist es, dem Leben zu dienen, und mit geteilter Macht, uns alle vorwärts zu bringen! Gegenseitig natürlich.

Deshalb Dank an jede einzelne Person aus den Gemeinschaften, von denen ich Teil bin. Meiner Familie, der Reclaiming Community in Spanien die ich mitgründen durfte, der Gemeinschaft Yoga Vidya, die mit ganzem Herzen dem Leben dient, und sich mutig Verantwortungen und Herausforderungen stellt.

 

Gentleness and Courage! Voran mit Freundlichkeit und Mut!

 

Es grüßt Euch Eure Kamala – gerne über und unter den Wolken weilend, mit Genuss, Freude und viel Spaß Teil einer Gemeinschaft 

Mit viel Dank an STARHAWK und ihre Bücher

The Spiral Dance

Die zwölf wilden Schwäne

Wilde Kräfte